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Rund um die Uhr


Ein Glückspilz im Einsatz für die Seelen in Not
Zeitungsbericht, erschienen in der Neue Braunschweiger Nr. 8 am 21. Februar 2002


Zwei halbe Stellen für drei Vollzeitaufgaben: In vier Stunden täglich soll sich Pfarrer Peter Schellberg um die Seelen der Feuerwehrmänner sorgen und als Notfallpfarrer für die Bürger bereit stehen. Ausserdem arbeitet er noch als Schulpfarrer in Wolfenbüttel. Seit November 1996 ist Schellberg bei der Feuerwehr. "Ein schrecklicher Unfall war damals Auslöser für den Personalratsvorsitzenden Volker Möbius, einen Feuerwehrpfarrer zu fordern", blickt Schellberg zurück. Ein Lastwagenfahrer war auf der A2 in seinem Führerhaus eingeklemmt, konnte nicht befreit werden und ist noch an der Unfallstelle gestorben. "Vorher aber hat er noch fast 20 Minuten gelebt und mit den Feuerwehrkollegen gesprochen. Danach war endgültig klar: um so etwas verarbeiten zu können, braucht man einen Profi." Das ist Pfarrer Schellberg. Ein offensichtlich geborener Seelsorger und ein begeisterter Feuerwehrman. Wer sich mit ihm zusammensetzt, muss akzeptieren, dass ständig das Handy klingelt. Und immer ist es wichtig. Entweder wird er von der Polizei oder von der Feuerwehr zu einem akuten Notfall gerufen, oder aber ein früherer Notfall ruft zurück: Ein Feuerwehrmann, der nach einem Selbsttötungsversuch in der Klinik ist, sucht Schellbergs Rat, eine Frau, deren Mann vor wenigen Monaten gestorben ist, braucht seinen Trost, eine andere Frau, nach einem Unfall gelähmt, bittet um Hilfe. "Gerade aus der Notfallseelsorge bleiben oft längere Verbindungen", erklärt der Pfarrer. "Heilung braucht Zeit." Da er nicht alles selber machen kann und will, hat er ein feines Netz gesponnen zu anderen Pfarrern und sozialen Diensten. Aber oft genug muss Schellberg eben selber tun, was getan werden muss. Das ist es aber auch, was den 50-jährigen ausmacht, war er so besonders liebt an seinem Beruf: "Ich arbeite in meinem Traumjob." Und diesen Traum träumte Peter Schellberg schon mit 15 Jahren zu Haus in Kassel.

"Unsere Jugendgruppe betreute einen 23-Jährigen, der nach einen Selbsttötungsversuch querschnittsgelähmt war und in einem Altenheim lebte", blickt Schellberg zurück. "Damals spürte ich, dass die Begleitung von Menschen in Not eine Aufgabe für mich ist." Diese Aufgabe ist inzwischen Lebensinhalt geworden. Zu rund 250 Einsätzen wird der Pfarrer im Jahr gerufen, die Telefonanrufe sind nicht mehr zählbar. Wie kann ein Pfarrer trösten, wenn etwas Schreckliches geschehen ist? "Persönliche Katastrophen kann man nicht wegtherapieren", erklärt er. "Ich lasse mich auf die Menschen ein, helfe, das Ungeheuerliche anzunehmen, ins Leben zu integrieren." Er will zur 'Entschleunigung' beitragen. "Trauer, Wut, Hilflosigkeit, all diese starken Emotionen brauchen Zeit, um angenommen zu werden." Für seine Feuerwehrkollegen ist er Ansprechpartner in allen Lebenslagen. "Bis zu 20 Einsätze in einer Schicht sind möglich", weiß er aus Erfahrung. Und manche davon sind furchtbar. "Es gibt Tage, da haben die Kollegen eben noch ein totes Kind auf dem Arm und ein paar Stunden später müssen sie sich um betrunkene Randalierer kümmern. Das verändert die Menschen. Probleme in der Partnerschaft und der Familie gehören zum Alltag im Feuerwehrleben", erklärt der Pastor. Und selbst? Wer "entschleunigt" den Helfer? Seiner Ehefrau (ebenfalls Schulpfarrerin) verlangt er viel ab, das weiß er. "Sie unterstützt mich, bei ihr kann ich mich aussprechen", sagt der Seelsorger. "Aber ich bin sicher, dass sie manchmal lieber einen anderen Mann hätte." Auch auf die drei (halbwegs erwachsenen) Kinder wirkt der Beruf des Vaters wohl eher abschreckend. Zumindest gehen sie beruflich in ganz andere Richtungen. Schellberg aber beteuert: "Ich bin ein Glückspilz". Die Gabe Menschen helfen zu können, sei ein Geschenk. "Und so empfinde ich das auch." Genau diese Zufriedenheit strahlt er aus.